- 23. Januar 2023

Sag mir, wer du bist: Digitale Nachweise in der Arbeitswelt

Wir sind neugierig und haben nachgefragt: Was hat es mit dem Thema "Digitale Identitäten" auf sich? Antworten gab Boris Lingl, bei DATEV Leiter Technologische Innovation Research und Blockchain. Gemeinsam mit Wiebke Drescher, ING Deutschland ist er am 07.12. Gastreferent bei der "Digital Society Conference" zum Thema "Digitale Nachweise in der Arbeitswelt".

Kurzportrait Boris Lingl

Boris Lingl, DATEV eG, Leiter Technologische Innovation Research und Blockchain.

Er widmet sich neuen Technologien, digitalen Identitäten und disruptiven Geschäftsmodellen im Bereich Innovation und digitale Transformation. Das Ziel: die Genossenschaft, ihre Mitglieder und Dritte auf ihrem erfolgreichen Weg zur Digitalisierung zu unterstützen – durch die Nutzung dezentralisierter und weiterer innovativer Technologien für neue Geschäftsmodelle, die die Wirtschaft und Kultur herausfordern.

Redaktion: Über digitale Identitäten wird seit vielen Jahren gemunkelt. Was dürfen wir uns darunter eigentlich vorstellen?

B. Lingl: Identitäten und Nachweise kennen wir heute schon und nutzen diese auch täglich. Vom täglichen Login am Computer, einer Plattform im Internet, über Nachweise wie der Fahrkarte für die Bahn oder einen Bildungsnachweis ist die Bandbreite groß. Bisher nutzen wir all dies sehr unterschiedlich. Meine persönliche Identität kann ich gegenüber Dritten mit meinem Personalausweis nachweisen, den Login am Computer erledige ich mit einem Konto auf einer der vielen Plattformen und die Fahrkarte ist inzwischen meist in der App auf dem Smartphone.

Redaktion: Wo werden wir wann digitalen Identitäten erstmalig begegnen / sie benutzen? Welche Rolle spielt DATEV dabei?

B. Lingl: Schauen wir uns das Thema etwas genauer an und stellen uns als Person in den Mittelpunkt. Wenn wir handeln oder eine Diensttleistung nutzen wollen, müssen wir meist erst einmal nachweisen „wer wir sind“. Das geschieht heute mit dem Personalausweis – künftig dann mit der digitalen Form, der sogenannten eID. An uns als Person hängen noch viele weitere Attribute oder Nachweise, die uns ergänzen und im täglichen Leben genutzt werden. Beispiele sind der Bildungsabschluss einer Schule, ein Studienabschluss, der Führerschein oder eine Eigenschaft wie die Mitgliedschaft bei einer Organisation.

Spannend ist dabei jetzt, wie dies geschieht. Waren diese Nachweise bisher meist in Form von Plastikkarten im Geldbeutel, wird daraus jetzt eine sichere elektronische Form. Aus dem Personalausweis wird eine eID, die es ermöglicht, sich im Internet sicher und eindeutig zu identifizieren. Daran arbeiten wir und wir bereiten uns auf den Einsatz vor, denn bei den neuen Ansätzen steht auch die Person, also jeder von uns im Vordergrund.

Redaktion: Digitale Identitäten stehen seitens Datenschutz häufig in der Kritik – zu Recht?

B. Lingl: Wesentliche Vorgaben für die neuen digitalen Identitäten sind Datenschutz und Selbstsouveränität. Selbst-Souveränität oder auch SSI bedeutet: Künftig entscheiden wir, mit wem wir unsere Daten teilen wollen. Die ID-Daten und weitere Nachweise gehören dem Bürger (Selbstsouveränität), nur er oder sie kann seine ID-Daten einsehen und nutzen. Diese Daten werden in einem sicheren Wallet gespeichert – das ist wichtig. Wenn wir diese Daten nutzen, um uns künftig gegenüber Dritten zu identifizieren (also wer sind wir) oder an einer Plattform zu authentifizieren, dann entscheiden wir bewusst, welche Daten wir zu diesem Zeitpunkt übermitteln wollen. In diesem Zusammenhang wird es künftig auch möglich sein, nur eine Eigenschaft zu bestätigen. Ein einfaches Beispiel wäre der Nachweis, dass ich über 18 Jahre bin. Aktuell zeige ich meinen Personalausweis oder ein anderes Dokument mit meinem Geburtsdatum und weiteren Daten. Künftig können wir einfach nachweisen, dass wir über 18 Jahre alt sind, ohne alle Details wie Geburtsdatum vorzulegen. Das stärkt den Datenschutz und minimiert die Zahl der Informationen, die wir anderen gegenüber zeigen.

Redaktion: Wie passen digitale Identitäten mit ökologischen und ökonomischen Vorhaben zusammen?

B. Lingl: Sichere Digitale Identitäten sind der Schlüssel für die Digitalisierung. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil für Vertrauen in der digitalen Welt. Sie ermöglichen es, uns in ihr zu identifizieren und zu authentifizieren. In Bezug auf ökologische und ökonomische Vorhaben können digitale Identitäten dazu beitragen, die Effizienz von Prozessen zu verbessern und die Umweltbelastung zu reduzieren, z. B. indem sie die Notwendigkeit von manuellen Prozessen reduzieren und die Automatisierung von Prozessen ermöglichen. Es gibt auch ökonomische Vorteile bei der Verwendung von digitalen Identitäten, wie z. B. die Reduzierung von Betrug und Identitätsdiebstahl und wenn wir beim Thema bleiben auch ökologische Themen. Zum Beispiel die Reduktion des Papierverbrauchs, indem die Notwendigkeit von Papierdokumenten und -formularen beseitigt wird.

Redaktion: Welche Empfehlung können wir heute Unterrichtenden im Zusammenhang mit digitalen Identitäten geben?

B. Lingl: Die neuen Ansätze sind ein grundsätzlicher Fortschritt und bilden den Zeitgeist ab. Schon die neue Form der Nutzung in einem Wallet auf einem mobilen Endgerät ist eine deutliche Verbesserung der UserExperience. Das bedeutet auch in neuen Möglichkeiten zu denken und die sich ergebenden Chancen zu nutzen – ich denke hier vor allem an neue und rein digitale Prozesse ohne Medienbrüche bei der Ausgabe oder der Überprüfung von Bildungsnachweisen.

Redaktion: Wir danken für das Gespräch und wünschen einen konstruktiven Austausch auf der Digital Society Conference am 07./08.12.2023 in Berlin.

Hinweis der Redaktion (Januar 2024): Die Veranstalter haben die die Impressionen, Vorträge als Videomitschnitte sowie die Präsentationen zum Download bereitgestellt.